03. April 2021 Ostersamstag

IT’S A WORD! WENN AUS EIERN WÖRTER SCHLÜPFEN

Als Elvis 1956 unter großem öffentlichen Interesse seine Polio Impfung erhalten hat, gab es noch keine Selfies. Würde er heute coronageimpft werden, würde er vermutlich ein vaccine selfie, ein so genanntes vaccie, auf Instagram posten. 

VACCIE ist das erste von zwei Wörtern, die ich in den letzten Tagen zum ersten Mal gehört habe. Das zweite ist MÜTEND, die Bezeichnung für den coronabezogenen Gefühlszustand aus Wut und Müdigkeit. Beide Wortküken sind erst vor kurzem im Medien-Freigehege geschlüpft und piepsen mehr oder weniger aufgeregt herum. 

Abgesehen davon, dass es mich grundsätzlich interessiert, wann und auf welche Weise neue Wörter entstehen, beschäftigt mich speziell das zweite Küken namens Mütend und die Frage, wie wir mit Gefühlen umgehen, für die wir (noch) keine Worte haben. Ein wesentlicher Aspekt beispielsweise im Kontext Autobiografisches Schreiben. Und was ändert sich im Umgang mit diesen Gefühlen in dem Moment, in welchem wir sie in Worte fassen oder sogar auf einen einzigen Begriff bringen können? Und wann erlauben wir uns, neue Wörter zu erfinden statt ausschließlich auf bereits bestehende zurückzugreifen? 

Außerdem: Ab wann sind Wörter nicht nur kurz aufflackernde Zeitgeistphänomene, sondern werden Bestandteil unseres gesellschaftlich anerkannten Wortschatzes? Sobald ein Hashtag dafür existiert? Wenn die Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr nach seiner Bedeutung fragen muss? Oder erst dann, wenn das Wort im Duden zu finden ist? 

Ich habe soeben in der online-Version des Duden „mütend“ als Suchbegriff eingegeben und folgende Antwort erhalten: „mütend liefert keine Ergebnisse. Wir haben stattdessen nach marend gesucht.“

So verkünde ich hiermit die Geburt eines weiteren Wortkükens in meinem persönlichen Wortschatz: Marend, schweizerisch für Zwischenmahlzeit. Kannte ich ebenfalls noch nicht. Gefällt mir gut. Nehme ich gern. 

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