01. Juli 2011

ADOLESZENTE SELBSTFINDUNGSLYRIK

In dieser Woche habe ich mehrmals Plakatwerbung gesehen für das Deutschpoeten Open Air Festival im September im Olympiastadion. Acts werden dort auftreten, deren „Lieder (!) sich vor allem durch viel Poesie auszeichnen.“ Unter anderem Max Prosa. Noch nie gehört, macht mich aber natürlich neugierig.

Auf seiner Website wendet er sich allerdings dezidiert gegen alles Poetische, wie es scheint: „Max‘ kantige Texte haben nichts zu tun mit adoleszenter Selbstfindungslyrik und peinlicher Pubertätspoesie. Stattdessen entwirft Max Prosa surreale Szenarien voller Emotionen, schildert kleine Geschichten über große Themen und wirft zwischen den Zeilen neugierige Blicke in eine Welt, die er sich mit seinen wohlgewählten Worten selbst entwirft. Nie arrogant und verkopft. Stets mit dem unbekümmerten Elan eines jungen Mannes. Ausgestattet mit einer Stimme, die all die Sehnsüchte fühlbar werden lässt, die man mit 21 Jahren noch mit Stolz geschwellter Brust vor sich herträgt wie eine kostbare Trophäe.“

Wow… ein Text, der zwar gegen Lyrik anschreibt, aber selbst sehr lyrisch wirkt. Und während ich diese Beschreibung lese, läuft im Hintergrund ’Sturm’, einer seiner Songs:

„Werf’ die Worte aus dem Fenster, wofür soll das alles sein?

Früher schien uns diese Frage so bedeutungslos und klein.

Und treib’ die Tränen durch den Regen, weil hier ist eh schon alles nass. Früher waren deine Augen traurig, jetzt sind sie kalt, weißt du das?“

Auch das natürlich alles andere als „kantige Prosa“. Müsste Max also eigentlich Max Lyrik heißen? Aber kann man als Singer/Songwriter mit dem Nachnamen Lyrik berühmt werden?

Dann kommt mir der Gedanke, dass für diese junge Generation der 20-Jährigen die Unterscheidung zwischen Prosa und Lyrik vielleicht letztlich gar keine Rolle spielt – alles ist schlicht und ergreifend Text – und diese Begriffe eher im klischeehaften Sinn verwendet werden. Falls Sie Kinder oder Enkel in diesem Alter haben, können Sie mir weiterhelfen?

Bevor ich die Website verlasse, lese ich noch: „Trag dich für den Newsletter ein und erhalte dafür die Live-Version von Schöner Tag“. Ich trage mich zwar nicht für den Newsletter ein, aber ich greife den schönen Tag auf und wünsche Ihnen einen solchen – natürlich ebenfalls als Live-Version!

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