02. Juni 2013

BIBLIOTHÈQUE HUILE ET VINAIGRE

In dieser Woche bin ich auf zwei Bibliotheken gestoßen, die gar keine sind.

Die erste befindet sich in der Lebensmittelabteilung der Galeries Lafayette. Dort sind Öle und Essig wunderschön um eine dicke Säule herum positioniert. Und auf dieser Säule steht Bibliothèque Huile et Vinaigre. Ich war wirklich verblüfft und habe mich gefragt, ob dies im Französischen eine ganz selbstverständliche Bezeichnung ist oder ob sich das die Galeries Lafayette ausgedacht haben. Eine Angestellte, die ich befragt habe, hat nur – etwas peinlich berührt – mit den Schultern gezuckt. Aber so wie es scheint, ist es eine Lafayette-Erfindung. Im Wörterbuch und im Netz ist diese Bezeichnung jedenfalls nicht zu finden.

Und auf die zweite Bibliothek bin ich durch Zufall gestoßen: die Firma Fruhauf aus Kansas, Herstellerin von Marching Band Uniforms, hat auf ihrer Website eine so genannte Sketch Library, in der alle möglichen Uniform-Zeichnungen abgebildet sind. Alle Zeichnungen sind auf einmal sichtbar, man kann nicht in ihnen blättern oder Ähnliches. Die Verbindung zu einer Bibliothek ist – wie bei den Ölen – also offensichtlich lediglich der Aspekt der Sammlung von etwas.

Aber ist alles, was gesammelt ist, gleich eine Bibliothek? Wohl kaum. Immerhin ist das Wort Biblio = Buch zentral.

Der Begriff „Bibliothek“ wird nicht einheitlich verwendet. Er steht für eine öffentliche Einrichtung, einen Ort, ein Gebäude oder auch für eine geordnete und benutzbare Sammlung von Büchern und anderen publizierten Medien und Informationen, und schließlich auch für eine solche Sammlung selbst.

Während bis ins 20. Jahrhundert eine Bibliothek vor allem als Büchersammlung definiert wurde, wird sie inzwischen als „eine Einrichtung, die unter archivarischen, ökonomischen und synoptischen Gesichtspunkten publizierte Information für die Benutzer sammelt, ordnet und verfügbar macht“ (Ewert und Walther Umstätter) definiert.

O.k., die Schnittmenge zu Ölen und Skizzen ist also tatsächlich ausschließlich der Aspekt des Sammelns, Ordnens und verfügbar Machens. Das ist verrückt!

Oder soll ich – ganz poetisch – behaupten, dass gute Bücher wie wertvolle Öle der Seele schmeicheln können oder aber dieselbe Auswirkung haben wie ein schlechter Essig, der einen das Gesicht verziehen lässt?

Dann interessiert mich aber vor allem Folgendes: Welches wertvolle Ölbuch haben Sie gerade bei sich in der Bibliothèque?

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