14. Juni 2014

BOOKISH

In dieser Woche war viel von Bowe Bergdahl die Rede. Der US-amerikanische Sergeant, der fünf Jahre lang in Gefangenschaft der Taliban war und jetzt im Austausch gegen fünf Stammesgenossen freigelassen wurde. Gegen ihn besteht nun der mehr oder weniger direkt ausgesprochene Verdacht, dass er mittlerweile selbst islamistische Gesinnung habe. Und nicht nur das: er sei bereits vor seiner Entführung seltsam gewesen. Irgendwie – und jetzt kommt‘s: „bookish“.

Ein Bücherwurm also. Was ja zunächst nichts Negatives ist. Aber im Grunde eben DOCH.

Ich hege größte Antipathie gegen dieses Wort. Denn ganz abgesehen davon, dass wohl niemand gern ein Wurm sein möchte (aber natürlich auch keine (Lese)ratte) schwingt in unserer Tradition bei der Bezeichnung Bücherwurm durchaus auch etwas Weltfremdes, Verschrobenes mit.

Man denkt an Jemanden, der etwas Nerd-haftes an sich hat und im Zweifelsfall lieber im dunklen Zimmer liest, als in der Sonne ein Eis isst.

Kurz: Jemand, der eher literarisch als sozial kompetent ist. Davon gibt es dann drei Unterkategorien: Der Spinner, der Schüchterne und der Angeber.

Dazu passt auch, was ich im Wörterbuch unter bookish finde: gelehrt, geschraubt, lebensfern.

Und während ich mich daran zu erinnern versuche, ob jemals jemand zu mir gesagt hat, ich sei ein Bücherwurm (vermutlich ja), finde ich eine website namens bookish.com. Auf dieser Seite existiert ein Feld, in welches man den Titel eines Buches eingeben kann, das man liebt oder kürzlich gelesen hat. Enter. Und schon erscheint ein Buchtipp, was man als nächstes lesen könnte, weil es einem vermutlich gefallen würde.

Dieses so genannte recommendation tool uses a dynamic combination of book data and human input. Und das dahinter stehende menschliche Team anaylsiert books on an introspective level by diving into characteristics such as genres, subjects, characters.

Die Liste der beispielhaft genannten subjects ist allerdings skurril: weibliche Protagonistin / zeitgenössische amerikanische Literatur / Geisteskrankheit / Familienleben / Alkoholismus. (Also wenn das eine typische Themenauswahl für bookish people ist, dann möchte ich GANZ SICHER nicht dazugehören.)

Aber das Ziel ist dafür umso ansprechender: to bring you a unique and expertly tailored book discovery experience.

Ich gebe also mal testweise Dance of the happy shades der Nobelpreisträgerin Alice Munro ein. Sicherlich keine allzu exzentrische oder ungewöhnliche Wahl.

Das recommendation tool antwortet sofort: „Sorry. No recommendations available for that book.“

Meine erste Reaktion: Enttäuschung, Verwunderung und auch ein klein bisschen Ärger, dass – wie es scheint – eine solche Autorin offensichtlich nicht aufgenommen wurde. Dann verwandeln sich diese Gefühle allerdings in Freude und eine Art von Triumph:

Munro ist eben einzigartig!

(Ist dies womöglich ein typisch bookisher Gedanke? Ich fürchte: ja.)

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