26. Juni 2011

DAS GEFÄSS PRIVATER LEKTÜREVORLIEBEN

„Ich bezeichne mich mal als gläubigen Menschen und gleichzeitig tauche ich leidenschaftlich gern in literarische Welten ein,“ mailte mir in dieser Woche eine Klientin als Antwort auf meinen letzten Blogeintrag. „Sicherlich gefestigt und geborgen in eben dieser christlichen Weltanschauung, die vielleicht für eine gewisse ’Vorauswahl’ sorgt, – aber jeder andere Lesebegeisterte setzt auch irgendeinen Maßstab an, wenn er sich seinen Lesestoff auswählt.“

Diese Vorstellung des Gefestigt- und Geborgenseins in einer Weltanschauung als Vorauswahl für die eigene Lektüre geht mir immer wieder durch den Kopf. Auch als ich mit einer Freundin vor Young-Jae Lees Installation „Behältnisse“ im Museum für Asiatische Kunst in Dahlem stehe: 313 Gefäße, feinsinnige Zylindervasen, bis zu einem halben Meter hoch. Rustikal, urtümlich, gelassen und unprätentiös stehen sie da in ihrer sandfarbenen Schlichtheit. Sie wirken allesamt geerdet und gleichzeitig zeigen sie ihre breiten Öffnungen selbstbewusst in den Raum.

Und ich denke: vielleicht geht es bei der eigenen Buchauswahl genau um das: eine Balance zu finden zwischen dem geerdeten Gefühl des Geborgen- und Gefestigtseins in der eigenen Lektüretradition einerseits und dem sich Lösen von diesem sicheren Boden und offen zu sein für neue literarische ’Einflüsse’ andererseits… damit das Gefäß der privaten Lektürevorlieben sich immer wieder auf überraschende Weise füllen kann.

Was war diesbezüglich Ihre letzte Überraschung?

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