10. März 2013

DAS IMAGE VON BIBLIOTHEKARINNEN

Gestern lande ich beim TV-Zappen zufällig in der Literaturverfilmung „Wenn wir alle Engel wären“ aus dem Jahr 1956 nach dem Roman von Heinrich Spoerl. Marianne Koch, Dieter Borsche und Gustav Knuth verhandeln das Thema „Ordnung, Sauberkeit und Pflichtbewusstsein“ – so lautet die Lebensdevise des Protagonisten Christian Kempenich.

Raten Sie mal, welcher Beruf diesem Mann mit oben genannten preußischen Tugenden angedichtet wurde…. Bibliothekar!… Stadtbibliothekar eines kleinen Moselstädtchens. Und Sie ahnen schon, dass sowohl er als auch seine Frau moselhaft verführt von Wein, Weib und Gesangslehrer in ihrer Moral herausgefordert werden und sie schließlich erkennen, dass Ordnung, Sauberkeit und Pflichtbewusstsein zwar wichtig sind, aber Menschen auch Fehler machen dürfen – schließlich sind sie keine Engel.

Diese 50er-Jahre Filme faszinieren mich auch deshalb, weil aus dem zeitlichen Abstand heraus die gesellschaftliche Werte, Sehnsüchte etc. so deutlich abzulesen sind.

Das Interessante: vorgestern haben sich zwei Freitag-Talkshows (in)direkt ebenfalls diesem Tugendkomplex gewidmet.

Im Nachtcafé diskutierte Wieland Backes zum Thema „Immer vernünftig leben – wie langweilig!“ und bei Bettina Böttiger war unter anderem Yvonne Willicks zu Gast. Willicks ist geprüfte Meisterin und Ausbilderin der städtischen Hauswirtschaft und Moderatorin der Sendung „Der große Haushaltscheck“.

Und Böttiger sagte in ihrer entwaffnend ehrlichen Art zu Willicks, dass sie selbst ja einige Leidenschaften nachvollziehen könne, aber dass Jemandem Sauberkeit und Ordnung so wichtig sein könne, das übersteige ihr Vorstellungsvermögen.

Nun bin ich von der Literaturverfilmung und den BibliothekarInnen scheinbar abgekommen. Aber mich beschäftigt tatsächlich wieder einmal die Frage, welches Image BibliothekarInnen heutzutage haben. Und natürlich auch Bibliotheken. Werden diese nach wie vor – zumindest unbewusst – als Orte der Ordnung, Sauberkeit und Vernunft angesehen. Und trägt das – ebenfalls unbewusst – dazu bei, dass für viele Menschen eine Bibliothek ein eher antiquierter Ort ist? Das ist zwar kaum zu glauben, aber wahr, wie ich aus vielen Gesprächen weiß.

Und: Welchen Beruf würde man heute klischeehaft wählen, der diese Tugenden repräsentiert?

Vielleicht funktioniert das mittlerweile nur noch in bestimmten Fernsehformaten (s.o), weil diese Tugenden hier erstens auf die Spitze getrieben und zweitens gleichzeitig spielerisch parodiert werden können.

Und damit sind wir dann tatsächlich einen Schritt weiter als der Film aus dem Jahr 1956, über den die Kritik urteilte, er habe „längst nicht alle Möglichkeiten liebevoller Ironie ausgeschöpft.“

Übrigens: In Formaten wie dem Dschungelcamp spielen Sauberkeit, Ordnung und Pflichtbewusstsein natürlich ebenfalls eine zentrale Rolle. Und das Dschungelcamp ist für den Grimme-Preis nominiert…

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