EINE SPRACHE NAMENS HSILGNE
Bei meiner Kieferorthopädin blätterte ich in dieser Woche im aktuellen SPIEGEL, stieß auf einen Artikel mit der Überschrift „Sprache ist alles“ und war so fasziniert, dass ich nach meiner Behandlung zurück ins Wartezimmer gegangen bin – um diesen Artikel zu Ende lesen zu können.
Der Physiker Douglas R. Hofstadter wurde darin porträtiert, dessen Buch „Gödel, Escher, Bach“ in den 80er Jahren Furore machte. Darin verknüpfte er Bachs Kompositionen mit Bildern von Escher und dem Unvollständigkeitssatz des Mathematikers Gödel.
Sein neuestes Buch, das er gemeinsam mit dem französischen Wahrnehmungspsychologen Emmanuel Sander geschrieben hat, heißt „Die Analogie. Das Herz des Denkens“ und handelt von den Zusammenhängen zwischen Sprache und Geist, und davon, dass wir alles, was wir wissen, in Beziehungen zueinander setzen und wir dadurch Ähnlichkeiten entdecken können, die uns dabei helfen, uns im Chaos der Welt zurechtzufinden.
Eine der Thesen des Buches lautet beispielsweise, dass Gedanken ohne Einfluss der Vergangenheit undenkbar sind. „Jede Situation, in der wir uns befinden, ruft in unserem Geist ein ganzes Geflirre von Wörtern wach. Es ist als schwärmten in unserem Kopf lauter Teams aus, um nach dem richtigen Wort zu suchen, und sie alle stehen in Wettbewerb miteinander.“ Dieser Wettstreit sei auch die Ursache für Phänomene wie Versprecher, Begriffsvermischungen oder Wortverwechslungen.
Aber das, was ich über Hofstadter selbst gelesen habe, finde ich ehrlich gesagt noch faszinierender. Beispielsweise, dass er dermaßen sprachbegabt ist, dass er Vorträge in Deutsch und Spanisch halten und aus dem Russischen übersetzen könnte, flüssig Chinesisch simsen kann, sich aber „wirklich zu Hause“ nur im Italienischen und Französischen fühlt.
Als Jugendlicher hat er eine Sprache namens Hsilgne erfunden, in der alles genau umgekehrt als im Englischen ist: sowohl Grammatik als auch Schreibweise. Also hat er rückwärts gesprochen, alles auf Tonband aufgenommen und die Bänder dann wiederum rückwärts abgespielt, um herauszufinden, ob alles korrekt war. Dabei hat er einen „komischen Akzent… wie vom Mars“ wahrgenommen.
Ja, diesen Klang mancher Sprachen liebe er natürlich. „Einige davon sind extrem schön – sogar das Deutsche im Übrigen. Ich dachte immer, Deutsch sei unschön – bis ich irgendwann Marlene Dietrich singen hörte.“
Und was sagte Dietrich einmal im Zusammenhang mit Interviews?
„Wenn man mit Presseleuten spricht, fällt einem auf, dass sie nicht viel Phantasie haben. Alle stellen immer die gleichen Fragen.“
So wünsche ich Hofstadter von Herzen, dass alle seine InterviewerInnen außerordentlich fantasiebegabt sind. Und falls nicht: dass sie sich zumindest einige Versprecher und Wortverwechslungen erlauben, denn daran hätte er sicherlich seine helle Freude.
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