18. Januar 2015

HALS ÜBER KOPF

achtsamkeitGerade komme ich aus Meissen zurück. Dort habe ich an der Ev. Akademie ein Wochenend-Seminar zum Thema Achtsamkeit geleitet. Ein Thema, das mich seit längerem begleitet und das ich in Verbindung mit dem Kreativen Schreiben in verschiedene Richtungen entwickle. Auch an diesem Wochenende waren für mich die unterschiedlichen Assoziationen der Teilnehmer*innen zu dem Begriff Achtsamkeit spannend: zwischen Neugier auf eine noch weitgehend unbekannte Welt und der Ablehnung eines Begriffs, der mittlerweile zum Modewort avanciert ist.

Was diese verschiedenen Haltungen miteinander verbindet ist die weit verbreitete Vorstellung, dass Achtsamkeit praktisch ausschließlich mit Stille, Ruhe und Rückzug zu tun hat. Das ist naheliegend, schließlich spielen meditative Aspekte eine wesentliche Rolle.

Doch was mich in diesem Zusammenhang besonders interessiert, ist die Frage, in wieweit uns eine achtsame Haltung nicht nur darin unterstützen kann, zur Ruhe zu kommen, sondern auch darin, Unruhe im Sinn von Abenteuer zu wagen. Abenteuer in jeglicher Form.

Eine achtsame Haltung wird uns Klarheit schenken – auch in Bezug auf unsere Ängste, die mit diesem Abenteuer verbunden sind. Aber sie beschenkt uns auch mit etwas Anderem: etwas, das im Alltag leicht verloren gehen kann: Neugier! Neugier auf Unbekanntes, Ungewohntes, Fremdes.

Ich bin davon überzeugt, dass gerade die Praxis der Achtsamkeit uns wieder stärker in Verbindung bringen kann mit der kindlichen Entdeckungsfreude in uns. Eine Entdeckungsfreude, die uns mutig und – ja! – übermütig und – jaja! – Hals über Kopf in Abenteuer stürzen lässt.

Aber ist dieses Hals-über-Kopf nicht das genaue Gegenteil von Achtsamkeit? Nicht unbedingt. Denn befindet sich unser Hals über Kopf, dann sehen wir die Welt aus der umgekehrten Perspektive und verstehen, dass die Dinge auch ganz anders sein können. Dass das Gegenteil genauso wahr ist. Es fällt uns leichter, die Dinge unvoreingenommen wahrzunehmen und nicht sofort einordnen und bewerten zu wollen. Und genau dies ist eine zentrale Eigenschaft von Achtsamkeit.

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