SHITSTORM
Die Schweiz hat nun ihr Wort des Jahres 2012 (!) gewählt: shitstorm.
Ja, es handelt sich dabei tatsächlich um das Wort und nicht das Un-Wort des Jahres (die Ehre des Unwortes erhält das Wort: Bio.)
Shitstorm ist Ehrung gewohnt. So war dieses Wort unter anderem Anglizismus des Jahres 2011, die Gesellschaft für deutsche Sprache, die sich naturgemäß grundsätzlich gegen jede Art von Anglizismus wehrt, wählte Netzhetze auf den sechsten Platz des Wort des Jahres 2012 und in diesem Jahr ist dieses Wort nun auch geadelt, seit es im neuen Duden aufgenommen wurde und nun als „Sturm der Entrüstung in einem Kommunikationsmedium des Internets, der zum Teil mit beleidigenden Äußerungen einhergeht“ definiert wird.
Das Wort selbst hat literarische Wurzeln. Zum ersten Mal hat es Norman Mailer 1948 in seinem Roman Die Nackten und die Toten benutzt. Hier bezeichnete shit storm eine brenzlige Gefechtssituation. In Ken Keseys Roman Einer flog über das Kuckucksnest von 1962 stand es für eine allgemein chaotische Situationen und 2006 kritisierte John Irving die Debatte über Günter Grass’ Zugehörigkeit zur Waffen-SS kritisch, indem er sagte, man könne „das nationalistische Geplapper in den deutschen Medien wohl als shit storm bezeichnen.“
In Deutschland bekannt wurde das Wort vor allem aber durch den Internet-Blogger Sascha Lobo, der 2010 auf der re:publica seinen autobiografisch motivierten Vortrag How to survive a shitstorm gehalten hat.
Er hat ihn überlebt. Und ist mittlerweile der Ansicht, dieser Begriff würde zunehmend inflationär angewandt und „jede kleine Empörungsäußerung“ würde gleich als Shitstorm bezeichnet.
Dennoch wird dieses Phänomen in der Social Media Welt nicht nur ernst genommen, sondern mittlerweile sogar wissenschaftlich untersucht. So hat beispielsweise die Business Intelligence Group mit ihrer so genannten Shitstorm-Matrix im Jahr 2012 ein Analysemodell vorgestellt. Und im selben Jahr haben Barbara Schwede und Daniel Graf im Rahmen der Social-Media-Marketing-Konferenz Entwicklung und Eigenschaften eines Shitstorms auf einer Skala von 0 bis 6 definiert. Der Wert 0 bedeutet „keine kritischen Rückmeldungen“ in sozialen Netzwerken und Medien, der Wert 6 steht für „ungebremster Schneeballeffekt mit aufgepeitschtem Publikum. Tonfall mehrheitlich aggressiv, beleidigend, bedrohend.“
Shitstorms kommen und gehen. Einige von ihnen richten mit Sicherheit große seelische Verwüstungen an, doch im Nachhinein betrachtet handelt es sich meist eher um eine Art Sturm im Wasserglas.
So ist die aktuelle Bekanntgabe zum Wort des Jahres gerade in diesen Tagen absurd, erschreckend und schmerzhaft zugleich – angesichts des Taifuns, der Tausenden von Menschen in Vietnam und auf den Philippinen das Leben kostet und der jede bisher da gewesene Stärke-Skala sprengt.
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