27. Mai 2018

VOM RINGEN UND KÄMPFEN

Als Schreibcoach erlebe ich immer wieder, dass Menschen, die mit dem Schreiben beginnen, oftmals davon ausgehen, dass die erste Fassung einer Geschichte auch – mehr oder weniger – bereits die letzte Fassung sein wird.

Aus der Tatsache, dass Texte immer wieder aufs Neue überprüft, umgestellt, korrigiert und im Zweifelsfall vollkommen verändert werden müssen, bis sie schließlich zur Endfassung geworden sind, ziehen viele Schreibende die frustrierte Schlussfolgerung, sie selbst seien einfach nicht begabt genug. Denn bei einem „richtigen“ Schriftsteller, einer „echten“ Autorin sei das doch sicherlich anders.

Philip Roth, der diese Woche gestorben ist, ist einer dieser „richtigen“ Schriftsteller und ein berühmtes Beispiel dafür, dass langwierige Schreibprozesse ganz natürlich sind.

Unendlich mühsames Ringen bis hin zu Schreibblockaden waren permanente Begleiter seines Schreibens. Und er gab immer wieder ehrlich und ohne jegliche Koketterie zu, jedes Mal nach Beendigung seiner rund 25 Romane das Gefühl gehabt zu haben, einen solchen Kraftakt kein weiteres Mal durchzustehen. Und vermutlich hat er beim Schreiben seiner rund 30 Romane immer wieder einmal davon geträumt, dass ihm Nathan Zuckerman, sein literarisches Alter Ego, das er sich in seinen autobiografischen Romanen erschaffen hat, diese mühsame Schreibarbeit würde abnehmen können.

Vor 6 Jahren schließlich hat er angekündigt, nun tatsächlich kein Buch mehr zu schreiben und hat damit Ernst gemacht. „Der Kampf mit dem Schreiben ist endgültig vorbei.“

Ich hoffe für ihn von Herzen, dass er diese letzten Jahre seines Lebens tatsächlich in größerem Frieden hat leben können und dass keine anderen inneren Kämpfe den Platz des Schreibens eingenommen haben.

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