18. April 2014

VON RÜCKENSCHULEN UND HÄSCHENSCHULEN

haeschenschuleIn meinem Sportstudio wird zweimal wöchentlich die sogenannte Rückenschule angeboten. Ich frage mich schon seit längerem, warum es die Rückenschule gibt, aber nicht die Bauchschule oder Beinschule.

Vermutlich, weil der Rücken eine ernste Angelegenheit ist und man entsprechend ernst und diszipliniert sein muss wie in der Schule, während Bauchtraining mit etwas mehr Freude verbunden sein darf!?

Als ich in dieser Woche wieder einmal das Wort „Rückenschule“ auf dem großen Sportstudio-Stundenplan (sic!) lese, muss ich unwillkürlich an die „Häschenschule“ von Albert Sixtus denken, das wohl berühmteste Osterbilderbuch, das auch in diesem Jahr in allen Buchhandlungen auf den Ostertischen liegt. (Es gibt mittlerweile auch eine Pop-Up-Version.)

Ganz offensichtlich wird dieses Buch immer noch gekauft. Aber wird es auch gelesen? Und geliebt? Oder handelt es sich eher um eines dieser Bücher, die aus nostalgischen Gründen verschenkt werden?

Am Inhalt kann es jedenfalls nicht liegen. Denn es ist direkt schmerzhaft, wie klischeehaft sich hier die Hasen“mädchen“ und Hasen“jungen“ verhalten und wie autoritär der Lehrers“mann“ ist, wenn er beispielsweise sagt: „Lasst nichts in der Schule liegen! Auf dem Heimweg stillgeschwiegen!“ etc.

Natürlich ist das kein Wunder. Das Buch stammt aus dem Jahr 1926. Aber welche Wirkung hat dieses Buch auf Kinder, die es heutzutage vorgelesen bekommen?

Ich recherchiere ein bisschen und stoße auf Melanie N., geboren am 05.12.1990. Sie lebt in Echzell/Bingenheim – zumindest im Sommer 2011, denn da hat sie in ihrem Online-Tagebuch über ihren bevorstehenden längeren Australien-Aufenthalt geschrieben und am 18. August Folgendes notiert:

„(…) Meinem kleinen Gastkind bringe ich Seifenblasen, Straßenmalkreide, ein Malbuch, Wachsmalstifte, Badewasserfarben und das Buch \“Die Häschenschule\“. Kennt jemand von euch das Buch? Oder bin ich das einzige Kind, das dieses Buch bevor es lesen und schreiben gelernt hat, auswendig konnte?? Hier meine Lieblingsstrophe:

 

Hasenmax, der Bösewicht,

konnte heut sein Verschen nicht,

hat gepfiffen und geschwätzt,

Hasenlieschens Rock zerfetzt,

eine neue Bank zerkracht

und dabei noch laut gelacht.

In die Ecke muss er nun,

Ei, da kann er Buße tun!

 

Aber jetzt fragt mich nicht warum das meine Lieblingsstrophe war :D“

Tja, das Geheimnis liegt also vielleicht mal wieder am Zauber der Identifikation? Zusätzlich zur Faszination der heilen autoritären Welt?

Aber zurück zur „Rückenschule“. Es gibt natürlich auch ein Buch mit diesem Titel. Geschrieben hat es Hans-Dieter Kempf und er verspricht uns im Untertitel „das ganzheitliche Programm für einen gesunden Rücken“.

Ich stelle mir also einfach mal vor, dass die Häschenschule von etwas ganz anderem handelt und dass der Untertitel lautet: „das ganzheitliche Programm für ein gesundes Häschen“.

Wie könnte ein solches Programm wohl aussehen? Auf der Internetpräsenz von „Die Tierischen. Zentrum für ganzheitliche Tiermedizin“ erfahre ich, dass die Grundlage einer guten Kaninchen-Ernährung Heu ist.

Tja, NOCH ein Beweis, wie pädagogisch wertlos die Häschenschule ist. Denn da heißt es:

„Erste Stunde: Pflanzenkunde. Welche Kräuter sind essbar? Hasenhans weiß das wohl: Am allerbesten schmeckt der Kohl.“

Die Schnittmenge zwischen Heu und Kohl ist… Geld! Geld wie Heu und Kohl wie Kohle.

Aber wie komme ich jetzt von „Geld“ zu einem herzlichen Ostergruß an Sie? Da bleibt mir vielleicht nur der Hinweis auf die vielen YouTube-Bastelanleitungs-Videos, durch die man lernen kann „Wie aus einem Geldschein ein Osterhase gefaltet wird.“

Und ich muss sagen: ich finde, dieser Satz ist der NOCH perfektere Untertitel:

„Die Häschenschule.

Wie aus einem Geldschein ein Osterhase gefaltet wird.“

Dies könnte die längst fällige Fortsetzung des Klassikers sein. Natürlich ganzheitlich angelegt und – auf den zweiten Blick – bedingungslos konsumkritisch.

Nun bin ich doch versöhnt. Zumindest ein bisschen. Aber Frohe Ostern wünsche ich Ihnen ganz und gar!

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