CHITTA
Ich komme gerade von ein paar Tagen Yogaretreat auf Mallorca zurück. Neben vielem anderen hat mich an diesen Tagen unser so genanntes monkey mind beschäftigt. All unsere wandelbaren Gedanken, die permanent wie Affen in unserem Kopf herumspringen und kreischen. Um diese Gedanken im Zustand der Meditation und des Yoga zu beruhigen, gibt es das schöne Mantra: Chitta Vritti Nirodhah. Was in etwa bedeutet: mögen alle Trübungen (Vritti), die im Wandelbaren des Menschen (Chitta) bestehen, zur Ruhe kommen (Nirodhah).
Immer wenn ich am Pool lag, habe ich mir dieses Mantra innerlich vorgesungen und dabei in die Palmen gesehen, die sich im Wasser gespiegelt haben. Ich sah die Affen, die von Ast zu Ast springen und plötzlich wurde aus Chitta Cheeta: Tarzans Affe.
Und während mich die Sonne gewärmt hat, sah ich Tarzan im Dschungel, mit Cheeta an der Hand oder sogar auf dem Arm. Und ich lasse mich in das Gedankenspiel (aah, da sind sie wieder, die Gedanken!) fallen, dass Cheeta das personifizierte monkey mind von Tarzan ist, denn es ist anzunehmen, dass auch Tarzans Kopf voller rasender Affen ist.
Die Art und Weise, wie Tarzan mit seinem monkey mind umgeht, könnte für uns Vorbild sein auf dem langen Weg, all unsere Affengedanken zur Ruhe kommen zu lassen. Denn ein erster wesentlicher Schritt ist es, unsere Gedanken nicht zu ignorieren, sondern sie wahrzunehmen und liebevoll anzuerkennen, also im übertragenen Sinn an die Hand zu nehmen oder auf den Arm.
Der echte Cheeta ist übrigens an Heiligabend 2011 gestorben. Er war mit rund 80 Jahren als ältester lebender Schimpanse im Guiness Buch der Rekorde und hat in seinen Rentenjahren nach Beendigung seiner Filmkarriere vor allem abstrakte Bilder gemalt (die man erwerben konnte – das weiß ich deshalb, weil ich mal kurz davor war, dies zu tun…), Football gespielt und christliche Musik gehört.
Bemerkenswert: Ein Journalist namens Rosen, der von Cheetas Tierpfleger Westfall im Jahr 2007 beauftragt wurde, Cheetas Autobiografie zu schreiben, hat im Laufe seiner Recherchen herausgefunden, dass Cheeta nicht einmal annähernd so alt sein konnte, wie behauptet wurde. Und dass dieser Affe mit hoher Wahrscheinlichkeit in keinem einzigen der Tarzan-Filme mitgespielt hat. Kein Wunder, dass Westfall für Cheetas Autobiografie dann jemand anderen beauftragt hat.
Das Verrückte dabei ist, dass Rosens Enthüllungen zwar bekannt wurden, aber rein gar nichts am Mythos und an der Popularität von Cheeta geändert haben.
Und ich denke: darin sind sich die Phänomene Cheeta und Chitta ziemlich ähnlich: selbst wenn man sie als reine Konstrukte erkennt, so haben sie doch ein starkes Eigenleben und lassen sich nicht so einfach „auflösen“.
P.S.: Sie ahnen, in welchem Buch ich gestern gelesen habe? Ja, genau: in ’Me Cheeta. The autobiography’. 2008 bei Harper Collins erschienen. Ich habe es mir mal in einem Londoner Antiquariat gekauft. Passend zu den Yogaretreat-Tagen schlage ich das Kapitel „Slowing down“ auf und lese von Cheetas Begegnung mit Stroheim, einem anderen Affen, den er aus früheren Zeiten kennt und der jetzt in einem Käfig sitzt, an welchem ein Schild befestigt ist: „Do not feed the animals. Do not introduce anything through the bars.“
Und ich denke: Ja, das ist es wohl: Unsere Gedanken wahrzunehmen und liebevoll anzunehmen, um sie dann möglichst loszulassen – das ist das Eine. Das Andere ist, sie nicht weiter zu füttern und ihnen auch nichts zum Spielen durch die Gitter zu stecken. Denn sie haben’s faustdick hinter den Ohren. Nicht umsonst klingt Chitta und Cheeta so verdammt nach „cheat“, nach Schummeln also!
zurück