04. November 2012

„DAS MEISTE PASSIERT JA IM KOPF.“

Vorgestern habe ich mir in der Theaterwerkstatt Hannover das Tanzstück Fukushima mon amour angesehen. Der Butoh-Tänzer Tadashi Endo (der diesen Tanz in Deutschland bekannt gemacht hat und den Sie vielleicht aus Doris Dörries Film Hanami kennen), hat als Kind viel Zeit mit seiner Großmutter am Strand von Fukushima verbracht. Hier tanzt er auf der Bühne seine persönlichen Erinnerungen, Emotionen und Assoziationen zur Katastrophe, die gleichzeitig weit darüber hinausreichen.

Später am Abend komme ich mit ihm ins Gespräch. Er erzählt mir von der Kraft der Haikus – die berühmte japanische Lyrikform – und dass er keinen rechten Sinn für Romane habe. Diese seien so detailliert und versuchten psychologisch alles komplex in der Breite auszudrücken, während Haikus in die Tiefe gingen, durch Schlichtheit und Einfachheit geprägt seien und damit dennoch alles zum Ausdruck brächten.

Auch meinte er, ein Roman brauche doch allzu viel Zeit zum schreiben. Man produziere Seiten um Seiten und würde doch vieles wieder verwerfen, während man ein Haiku doch schnell schreiben könne. Was natürlich nicht heißen würde, dass es einfach wäre. Das meiste passiere ja im Kopf in der Zeit bevor man das Gedicht dann aufschreibe.

Tadashis Haltung, die natürlich auch mit der Tradition zu tun hat, aus der er stammt, kann ich nachvollziehen. Dennoch hat es mich erstaunt, wie Endo die beiden Produkte Kurzgedicht und Roman so absolut gegeneinander stellte.

Gestern dann habe ich mir Tadashis Website angesehen. Hier steht: „Tadashi Endo dances his life, his dreams, his feelings in his very special movements and deep expression.“

Und ich denke: ist es nicht genau das, was auch auf einen guten Roman zutrifft? Und zwar sowohl in Bezug auf das Schreiben als auch auf das Lesen?

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