DER LIBROMAT
Nachdem ich letzten Sonntag auf dem Flohmarkt einige Bücher verkauft hatte (siehe mein letzter Blogeintrag), habe ich mich in dieser Woche gefragt, was ich mit dem eingenommenen Geld machen möchte (o.k., nach Abzug von Standmiete und Mietauto ist nicht allzu viel übrig geblieben, aber immerhin). Irgendetwas Schönes soll es sein… etwas Passendes… etwas Symbolisches…
Und ich dachte: was wäre passender als ein Buch?
Eines, das eben JETZT zu mir passt und den Weg zu mir findet, weil andere Bücher, die NICHT mehr zu mir passen, den Weg zu Jemand Anderem gefunden haben.
Ja, es stimmt. Ich neige dazu, solche Dinge auf etwas übertriebene Weise aufzuladen. Und wäre ich eine Andere, dann würde ich von dem Geld vielleicht einfach ein paar gute Flaschen Wein kaufen oder endlich mehrere Blusen zur Reinigung bringen oder Schuhe neu besohlen lassen oder meinen Partner, der all die Bücher geschleppt hat, zu Kino und Ausstellung einladen.
Also letzteres werde ich auf jeden Fall machen, aber ein passendes Buch müsste noch zusätzlich drin sein. Aber welches um Gottes Willen? Welches Buch passt JETZT zu mir?
Es soll natürlich nicht IRGENDEIN Passendes sein (da wüsste ich einige, beispielsweise ist gerade eine neue Biografie über Vivienne Westwood erschienen), sondern das absolut perfekt passende. Eines, bei dem ich auch noch in 23 Jahren wissen werde, zu welchem Anlass ich es mir gekauft habe.
Da kommt mir ein Link in den Sinn, den mir eine Freundin vor rund zwei Wochen gemailt hat: den Link zu etwas, das sich Libromat nennt. Der Libromat ist anscheinend eine Erfindung des NDR und man kann ihn auf der Internetseite des Senders ausprobieren (https://localhost/ndr.de/kultur/buch/libromat100.html#)
Was ist der Libromat?
Er macht einem Vorschläge für passende Bücher.
Wie geht das?
Man klickt in drei Kategorien die jeweils passende Option an. Diese Kategorien lauten: Art des Buches, Umfang sowie Stimmung. Et voilà!
Kann es tatsächlich so einfach sein?
Ich bin ebenso skeptisch wie fasziniert. Skeptisch, weil mir Buchhändler*innen (menschliche LibromatInnen sozusagen) natürlich wesentlich mehr Informationen entlocken würden, um für mich passende Bücher zu finden.
Aber durchaus auch fasziniert, weil ja manchmal diese menschliche Komplexheit nicht zum Ziel führt, sondern nur zu denkerischer Kompliziertheit, während klar strukturierte Einfachheit wegweisend und zielführend sein kann.
Ich probiere es also aus: bei ’Art des Buches’ klicke ich Roman (es gibt auch Jugendbuch, Sachbuch, Bildband und Krimi). Bei ‚Umfang’ klicke ich dünn (es gibt auch dick und mittel). Und bei ‚Stimmung‘ klicke ich skurril (es gibt auch sozialkritisch, unheimlich, abenteuerlich, beklemmend, historisch, eindrucksvoll, erklärend und romantisch).
Ich zögere den Moment noch etwas heraus, bevor ich mir die Vorschläge ansehe und denke stattdessen erstmal über die Stimmungs-Optionen nach. Handelt es sich bei dieser Liste tatsächlich um die repräsentativen Stimmungen in Romanen? Und warum gibt es sowohl unheimlich als auch beklemmend? Und kann eine Stimmung erklärend sein? Oder historisch? Ist letzteres nicht eher ein inhaltliches Merkmal? Und was genau ist mit erklärend gemeint? Philosophisch oder psychologisch?
Dann denke ich, dass diese Fragen typisch sind für den oben erwähnten komplizierten menschlichen Geist, der einem im Zweifelsfall eben NICHT zum Ziel führt. Also klicke ich schnell auf den Button für die Vorschläge und erhalte acht Tipps. Der erste: Wie die wilden Tiere von Philippe Djian. Dazu die Info: Trotz Philippe Djians Hang zum Grotesken lauert unter der Oberfläche seines neuen Romans „Wie die wilden Tiere“ eine ergreifende und bewegende Erzählung.
Das spricht mich durchaus an.
Die folgenden Tipps zwar weniger (was bereits an den Titeln liegt – ich kann kein Buch lesen, dessen Titel mich abstößt: Glück wie Blei im Getreide, oder Engel, die durchs Zimmer fliegen kannst du mit Fliegenklatschen kriegen, oder Einschlafbuch für Wutbürger.)
Aber dann kommt noch ein zweiter durchaus interessanter Vorschlag: Padgett Powell – Roman in Fragen. Deutsch von Harry Rowohlt.
Da sind sie also wieder, die Fragen. Dabei wollte ich sie doch gerade loswerden. Aber vielleicht ist genau das der tiefere Sinn: sich von Fragen zu verabschieden, um zu neuen zu kommen.
Danke, Libromat!
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