08. Januar 2012

DER MENSCH ALS SOMATISCHE KREATUR

In meinem ersten Blogeintrag in diesem Jahr möchte ich Ihnen vor allem erst einmal von Herzen ein wirklich gutes, positives Neues Jahr wünschen. Ein Jahr, in welchem Sie mit Energie und Freude all das verwirklichen werden, was Ihnen wichtig ist!

Aber was ist, wenn „all das“ viel zu viel ist, um in einem einzigen Jahr realisiert werden zu können? Wenn man dafür drei Leben gleichzeitig leben oder zumindest auf extreme Weise multitasking-begabt sein müsste?

Wären Sie das gern? Dann ist vermutlich Harry Kahne Ihr Vorbild, von dem ich heute zum ersten Mal gehört habe und zwar im Kontext der Ambidextrous Performance (2006) des Künstlers Lars Siltberg, auf den ich in der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst gestoßen bin, um mir die Ausstellung „The Urban Cultures of Global Players“ anzusehen, die neue religiöse Bewegungen in den Metropolen der Welt thematisiert.

Dies war ein langer verwirrender und etwas nervtötender Satz, oder? O.k., jetzt stellen Sie sich vor, Sie sitzen auf einem Stuhl vor einer großen Tafel und Sie schreiben diesen Satz an die Wand, und zwar mit Ihrem linken Fuß, zwischen dessen Zehen ein Stück Kreide geklemmt ist. Gleichzeitig schreiben Sie mit ihren beiden Händen, ihrem Mund sowie mit Ihrem rechten Fuß ebenfalls mit Kreide etwas (Anderes!) an die Wand – und zwar vorwärts und rückwärts.

Dieses Kunststück – und viele mehr – hat Harry Kahne in den 20er Jahren vollbracht. Mit seinem Programm „The man with the multiple mind“ ist er durch die amerikanischen Lande gezogen und hat behauptet, dass jeder Mensch lernen könne, seine rechte und linke Hirnhälfte so zu trainieren und zu koordinieren, dass es möglich wäre, so wie er selbst sechs verschiedene Dinge gleichzeitig zu tun.

Lars Siltberg stellt in seiner Performance dieses Stuhl-Kreide-Situation nach, versucht sein Bestes – und scheitert kläglich. Und dennoch: sein Thema ist der Mensch als „somatische Kreatur“ und das Zusammenspiel von Geist und ausführendem Körper.

Ein Thema, das auch für das literarische Schreiben zentral ist. Dabei denke ich beispielsweise an die Bedeutung des eigenen Körpers beim Formulieren von Texten… an den Unterschied, ob Jemand mit einem Stift in der Hand schreibt oder aber an der Computertastatur etc.

So möchte ich meinen Jahreswunsch an Sie etwas verändern: möge „all das“, was Sie verwirklichen wollen, in einer glücksbringenden Einheit von Geist und Körper gelingen!

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