12. Juni 2011, Pfingstsonntag

DIE HEILIGE MESSE DES LESENS

Ein Artikel über Gerhard Roths Neuerscheinung Orkus titelt: „Die heilige Messe des Lesens.“ Passend zu den vielen Pfingstmessen und angelehnt an Roths Leseleidenschaft, über die er selbst schreibt: „Ich erlebte (…) die Kommunion in der heiligen Messe des Lesens.“ Seit ich diesen Satz gelesen habe, denke ich darüber nach, ob es vielleicht tatsächlich einen Zusammenhang gibt: je gläubiger ein Mensch ist, desto weniger ist er von Belletristik fasziniert. Und je größer die literarische Faszination, umso höher die Wahrscheinlichkeit einer atheistischen Lebenshaltung. Ich spreche hier nicht von Urlaubslektüren, Genreliteratur etc., sondern von existentieller Belletristik.

Mir erscheint das durchaus plausibel, und zwar aus vielen Gründen, die den Rahmen dieses blogs natürlich sprengen würden. Begeistert zu sein – be-GEISTERT -, entweder von der Welt des Heiligen Geistes oder aber von den geistigen Flügen in fiktionale Welten… Die Bibel als fantastisches literarisches Werk und Jahrhundertromane als weltliche Bibeln… Die Teilhabe an einer literarischen oder religiösen Gemeinschaft, die Verbindung mit einer bestimmten Geisteshaltung etc.

Das alles im Übrigen unabhängig davon, ob man es „versteht“. Entsprechend schreibt Roth: „Die Werke dieser Autoren erschlossen sich mir sofort und vollständig über das Nichtverstehen.“ Wunderbar formuliert, finde ich. Denn geht es nicht in beiden Messen, der literarischen ebenso wie der religiösen, im Grunde genau darum: Gefühl statt Verstand?

Was meinen Sie?

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