DIE PAUSE ZWISCHEN EIN- UND AUSATMEN
Beim Praktizieren der Vipassana Meditation hat mich heute ein Satz besonders angesprochen, den der Meditationslehrer während des angeleiteten Teils formuliert hat. Er sprach von der Aufmerksamkeit, die man der Pause zwischen dem Ein- und dem Ausatmen schenken kann.
Diese Pause kommt mir vor wie ein Raum. Ein Raum, der immer da ist und den man doch nur sehen und betreten kann, wenn man sich seiner bewusst wird. Er ist Atem-Pause und gleichzeitig Teil des Atmens. Ein wertvoller Raum des Dazwischen.
Ich denke an Herta Müller, zu deren Literatur ich in diesen Wochen einen Buchclub leite. Momentan lese ich intensiv ihre Essays und nicht nur in diesen spricht sie ebenfalls immer wieder von dem, was sich „zwischen den Sätzen“ befindet, dem Schweigen, dem Verschwiegenen, dem Unaussprechbaren. Auch dieses Schweigen zwischen den Zeilen ist eine Art Raum des Dazwischen. Nicht sichtbar und dennoch anwesend.
Beim Schreiben zerre man „am Geflecht der Sätze“, schreibt Müller im mittlerweile vergriffenen Buch Der Teufel sitzt im Spiegel. „Bis die verschwiegenen Sätze zwischen den geschriebenen Sätzen überall ihr Schweigen hinhalten. Bis man das Gefühl hat beim Schreiben, dass der Text jetzt atmet, dass der Satz, jeder, so ist, wie er sich selber sieht.“
Vipassana lässt sich übersetzen mit „die Dinge zu sehen, wie sie wirklich sind“. Und genau das ist auch beim Schreiben eine wesentliche Fähigkeit. Atmende Körper… atmende Texte… und ein Gespür für die Räume des „Dazwischen“.
Das wünsche ich Ihnen.
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