21. September 2013

ES WIRD SICH SOWIESO NICHTS ÄNDERN

Eigentlich wollte ich etwas zum Tod von Marcel Reich-Ranicki schreiben. Aber die morgige Bundestagswahl hat auch das Thema dieses Blog-Eintrags beeinflusst. Genauer gesagt: Renate Künast, die heute um 12:15 Uhr am Breslauer Platz in ihrem Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg plötzlich vor mir stand und mir eine kräftig-stämmige Sonnenblume mit den Worten in die Hand drückte „Sie haben doch noch Platz?“ Ja, ich hatte noch Platz.

Die Sonnenblume steht neben mir, während ich dies schreibe und mir kommen Parallelen in den Sinn: Ähnliche Argumentationen von Menschen, die die Wahl verweigern (obwohl sie im Grunde gerne wählen würden) und Menschen, die das Schreiben verweigern (obwohl sie im Grunde gerne schreiben würden).

„Es gibt keine perfekte Partei, warum also soll ich wählen? Und es gibt auch keinen perfekten Text, warum also soll ich schreiben?“

„Letztlich sind alle Parteien sowieso ziemlich gleich. Wie die Texte, die man schreiben würde.“

„Es wird sich sowieso nichts ändern in der Politik. Und in der Literatur ebenso wenig.“

„Ich mache mir da nichts vor: meine kleine Stimme hat doch keinerlei Einfluss. Genauso wenig wie meine kleine Geschichte.“

„Am Sonntag will ich mich ausruhen und nicht noch Schlange stehen im Wahlamt. Und ich bin zu müde, um zu schreiben.“

Und doch: jede Stimme zählt. Jede politische und jede literarische. Und aus diesem Grund werde ich morgen wählen. Geschrieben hab ich schon. Den Beweis haben Sie gerade gelesen.

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