25. März 2012

FRAUEN STEHEN, MÄNNER SITZEN

Auf meinen Stoffbahneintrag zu den derzeitigen Covermotiv-Favoriten auf dem deutschen Buchmarkt habe ich unterschiedlichste Rückmeldungen bekommen. Von „Wenn mir das Cover nicht gefällt, kaufe ich mir den Roman nicht, außer es gibt einen speziellen Grund.“ (was mich an eine Buchclub-Teilnehmerin erinnert, die das Cover von Herta Müllers Atemschaukel mit einem Schutzumschlag unsichtbar gemacht hat, weil sie es nicht ständig ansehen mochte) bis hin zu Leser*innen, die schreiben, dass sie noch nicht einmal sagen könnten, wie die Cover der Bücher aussehen, die sie gerade lesen.

Ein Sachbuchautor hat gemailt: „Sorry, was die Cover betrifft, da scheine ich wohl blind zu sein. Ich gehe gleich auf den Inhalt. Hab sogar bei meinen eigenen Büchern Schwierigkeiten zu beschreiben, wie sie aussehen. Ausnahme derzeit: Lese gerade den Briefwechsel zwischen Zweig und Roth: da ist vorne ein Foto der beiden, und die Gesichter sagen schon alles, was dann in ihren Beziehungen und Briefen deutlich wird.“

Deutlich wird auch in diesen Worten die Vorstellung, das Cover möge idealerweise den Inhalt spiegeln. Und ergänzt man werbestrategische Überlegungen, dann soll natürlich bereits das Cover einen zielgruppenspezifischen Kaufreiz auslösen – ganz unabhängig davon, was sich beim Lesen vielleicht einlöst oder auch nicht.

Was mir irgendwie keine Ruhe gelassen hat: die ähnliche Ausstrahlung dieser aktuell favorisierten Motive. Leere Stühle, Frauen in Seiten- und Rückenansicht (gern mit Blick aufs Meer) sowie allein stehende Häuser in Landschaften strahlen alle eine gewisse Einsamkeit, Nachdenklichkeit, Ruhe bzw. Sehnsucht nach Ruhe aus. Cover für eine Art Slow-reading Bewegung?

Und wie sieht es eigentlich mit männlichen Figuren auf Covern aus? Gibt es die einsame Männern in Seiten- oder Rückenansicht in einer Landschaft und vielleicht sogar aufs Meer sehend?

Ich hab unter meinen Büchern tatsächlich drei solcher Cover gefunden: Kumpfmüllers Herrlichkeit des Lebens, Trojanows Weltensammler sowie Willemsens Knacks. Alle drei von hinten oder unkenntlich von der Seite.

Ein interessanter Unterschied allerdings: während die Coverfrauen alle stehen, haben es sich alle drei Männer sitzend bequem gemacht. Aber auch sie blicken alle aufs Meer… und sehen vielleicht sogar Fische, was die Überleitung ist zu der Mail einer Buchhändlerin, die mir schreibt: „Auffallend in dieser Frühlingssaison sind Fischmotive. Spontan gleich drei Beispiele: Flaser, Ich nannte ihn Krawatte; Anna Katharina Hahn, Am schwarzen Berg und Annika Reich, 34 Meter über dem Meer.“

Schön, hiermit sind die Fische in den Kreis aufgenommen! Vielen Dank!

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