KOKETTERIE DES AUTORS
Am Mittwoch hatte das Theaterstück MONSTER Premiere in Bremen. Ein Schauspielprojekt von Junge Akteure zum Thema jugendliche Gewalt. Ich habe diese Produktion als Autorin begleitet. Entsprechend beschäftigen mich seit Monaten die vielfältigen Aspekte von Gewalt, selbst erlebter, selbst ausgeübter sowie medialer Gewalt. Ganz aktuell fühle ich mich mit Gerhard Roth (siehe Eintrag vom 12. Juni) verbunden, der die Möglichkeit zur Bestialität schlicht als integralen Bestandteil der Humanität betrachtet. Dies ist heutzutage keine provokante These mehr, aber deshalb natürlich nicht weniger beunruhigend.
Und ich frage mich, ob sich beispielsweise Max Frisch, dessen autobiografische Erzählung Montauk ich gerade in meinem Buchclub diskutiere, wohl tatsächlich als Monster gefühlt hat, wenn er sein Alter Ego im Buch als solches bezeichnet, indem er seine Geliebte Lynn mehrmals sagen lässt: „You are a monster, Max!“ Oder ist es eher – so die Vermutung einiger Buchclubteilnehmer*innen – eine Art von Koketterie des Autors und somit erstrecht monströs?
Und wie ändert sich die eigene Haltung, wenn man erfährt, dass die reale Lynn, im wirklichen Leben heißt sie Alice, im letzten Jahr in einem Interview rückblickend erzählte, sie habe diesen Satz zwar tatsächlich gesagt, aber er sei völlig aus dem Zusammenhang gerissen. Das habe sie sehr geärgert… Eines von vielen Indizien dafür, dass Frisch sie und ihre gemeinsame Geschichte „literarisch ausgenutzt“ hat?
Auch in unserem Theaterstück sind wir von der Realität der neun jugendlichen SchauspielerInnen ausgegangen. Ihre realen Gewalterfahrungen und -fantasien standen im Focus. In Einzelinterviews habe ich viel darüber erfahren und es als meine Aufgabe betrachtet, diese Realitäten in Fiktionales zu wandeln, ohne dass sich jemand ausgenutzt fühlen könnte. Eine Gratwanderung – und wohl eine der größten Herausforderungen beim Umgang mit autobiografischem „Material.“
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