10. November 2018

MEIN MEMOJI & ICH

Mein Smartphone ist ziemlich smart. Am Dienstag hat es mir beispielsweise erklärt, wie ich mein eigenes Memoji erstellen kann. Eine Art Comic-Ich, das mich visuell repräsentiert und das mich – passend zu meiner Persönlichkeit und jeweiligen Stimmung – in der virtuellen Whatsapp-Welt vertritt. Ein persönlicher Avatar sozusagen, der sogar animiert werden kann. Nach Emoticons, Emojis und Animojis jetzt also die Memojis.

In der literarischen Welt würde man ganz old school von einem Alter Ego sprechen. Einer Figur, die angelehnt ist an die eigene Person und Persönlichkeit, aber gleichzeitig ausgestattet mit fiktionalen Elementen.

Daran muss ich denken, als ich gestern Morgen im Deutschlandfunk einen Beitrag über Iwan Sergejewitsch Turgenewhöre, der vor 200 Jahren geboren wurde. Er hat viele seiner Figuren als Alter Ego konzipiert. Pawel B. in der Novelle „Faust“ zum Beispiel oder Rakitin in „Ein Monat auf dem Lande“.

Ich stelle mir vor, dass Turgenew vor 150 Jahren beim Spiel mit diesen Figuren vielleicht eine vergleichbare Freude gespürt hat wie wir heute, wenn wir einen Cyberspace-Avatar kreieren. Und vielleicht würde er sogar mit Begeisterung auf seinem Smartphone Memojis erstellen. Wer weiß.

Im Beitrag wird übrigens Joseph Conrad zitiert, der über Turgenew sagte: „Selbst wenn er manche Figuren erfunden hätte, so wären sie doch wahr.“ Wahr ist auch, dass ich bisher noch nicht mein eigenes Memoji erstellt habe. Aber wer weiß.

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