SCHREIBEN AUF DEM STILLEN ÖRTCHEN
Komme gerade zurück von meinem fünfstündigen Schreib-Workshop „Orte der Stille“, bei dem ich für die Teilnehmer*innen hier in Berlin eine kleine Inspirationsreise zu verschiedenen Orten zusammengestellt habe. Orte, die sich auf unterschiedlichste Weise mit dem Spannungsfeld äußerer und innerer Stille & „Unstille“ verbinden. Das Stelenfeld des Holocaust Mahnmal beispielsweise, der Raum der Stille am Brandenburger Tor oder die U-Bahn Station Bundestag. Literarischer roter Faden waren Zitate aus Peter Handkes Buch Versuch über den Stillen Ort (mit großem S). Gemeint sind nicht nur stille Orte unterschiedlichster Art, sondern in erster Linie die Stillen Örtchen, die ihn seit Jahrzehnten immer wieder angezogen haben.
Diese Faszination kann ich sehr gut nachvollziehen. So habe ich beispielsweise während einer mehrwöchigen Reise durch die USA Videoaufnahmen in nahezu allen öffentlichen Toiletten gemacht, die ich während dieser Zeit besucht habe. Unter anderem auch im World Trade Center. Das war im Jahr vor den Terroranschlägen.
Handke schreibt in seinem Buch von 2012, dass er gerade an diesen öffentlichen und halböffentlichen Stillen Orten „immer wieder neu ins Anschauen, Betrachten, und zu guter Letzt Sinnieren, Phantasieren und Imaginieren gekommen“ sei.
Diese besondere örtliche Qualität ist sicherlich für viele Menschen nachvollziehbar. Und für ebenso viele Menschen ist es vermutlich ganz normal, auf der Toilette gelegentlich zu lesen. Aber wie sieht es mit Schreiben aus?
Haben Sie schonmal auf der Toilette sitzend (sei dies mit offenem oder aber mit heruntergeklapptem Deckel!) bewusst geschrieben? Diese Erfahrung wollte ich den acht Teilnehmer*innen heute als letztes Schreibexperiment „gönnen“, und zwar in den sehr sauberen Toiletten der Akademie der Künste am Brandenburger Tor.
Raten Sie mal: Wieviele haben es tatsächlich ausprobiert? Und Wieviele wollten doch lieber am Tisch sitzend schreiben?
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