11. Oktober 2014

TRAUMA LITERATURNOBELPREIS

Der neue Literaturnobelpreis-Träger heißt Patrick Modiano. Modiano ist extrem öffentlichkeitsscheu, hat die Nachricht auf der Straße in der Nähe des Jardin du Luxembourg erhalten und kann es selbst nicht fassen. Die Nachricht habe „etwas Seltsames“ für ihn.

Eine seltsame Formulierung vielleicht. Und doch so verständlich. Für mich ist das unvorstellbar: Noch kein einziges Mal hat man auch nur im Traum daran gedacht, den Nobelpreis zu erhalten. Und plötzlich hat man ihn. Ist DAS dann ein Traum? Oder eher ein Trauma?

Dabei hat nicht Modiano allein, sondern – glaubt man Präsident Hollande – gleich ganz Frankreich den Preis erhalten. Umgekehrt ist wiederum der Guardian direkt empört, dass schon wieder nicht der US-Autor Philip Roth den Preis erhalten habe. Ein Skandal sei das. Nationale und internationale Anmaßungen.

Ich gestehe: Ich kann mich nicht erinnern, je ein Buch von Modiano gelesen zu haben. Aber jetzt bin ich neugierig.

Sein Thema sei die Erinnerung. Entsprechend begründet die Nobelpreis-Jury ihre Entscheidung „für die Kunst der Erinnerung, mit der er die ungreifbarsten menschlichen Schicksale und die Lebenswelt der Besatzung hervorgerufen hat“.

Auf Deutsch erschien im Hanser-Verlag 2013 sein Roman ‘Der Horizont‘. Der Roman erzählt von einem Mann, der sich auf die Suche nach einer vor 40 Jahre verflossenen Liebe macht. Über das Buch schrieb Andreas Schäfer im Tagesspiegel:

„Patrick Modiano bildet mehr den Prozess der Erinnerung ab, als dass er eine Geschichte entwickeln würde. Seine Kunst besteht darin, Zusammenhänge wie Wolkenformationen zusammenwachsen zu lassen, um sie, sobald sich eine klare Gestalt ergibt, wieder zu verwischen, indem er innerhalb eines Satzes Zeit und Bezugsorte ändert oder von der Handlungsebene auf die selbstreflexive Ebene des ,Ich-weiß-auch-nicht-weiter’ springt.“

Zusammenhänge wie Wolkenformationen zusammenwachsen lassen. Ein schönes Bild, nicht wahr? Und doch hört es sich recht schwierig zu lesen an, wie ich finde.

Gestern Abend war Gert Scobel im Rahmen der Buchmesse im Gespräch mit der Literaturkritikerin Ina Hartwig. Sie sagte, Modianos Bücher seien alle leicht zu lesen, außer sein erstes Buch ‘Im düsteren Licht der Erinnerung‘ von 1968.

Und ja, in Deutschland sei er tatsächlich recht unbekannt, in Frankreich hingegen „ein totaler Star“.

Ich recherchiere, dass seine Art zu schreiben fragmentarisch und collagenartig sei, die Mittel des experimentellen nouveau roman aufgreife, und dabei doch stets flüssig bleibe.

Diese Kombination interessiert mich: fragmentarisch und doch flüssig.

Ich werde sehen.

Haben Sie schon einmal einen Roman von Modiano gelesen? Oder haben es jetzt vor?

Schreiben Sie mir. Ich bin gespannt.

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