TREFFLICHKEIT KENNT KEINE GRENZEN
Gestern Abend habe ich zum ersten Mal die neu eröffnete Berliner Dependance der The School of Life London besucht. Wir Teilnehmer*innen haben gemeinsam mit dem Philosophen David Lauer über „Aristoteles – Die Wurzeln der Freundschaft“ diskutiert und unter anderem einen Auszug aus der Nikomachischen Ethik gelesen, in welchem Aristoteles über die so genannte Trefflichkeit spricht:
„Vollkommene Freundschaft ist die der trefflichen Charaktere und an Trefflichkeit einander Gleichen.“
Trefflich: eines dieser Wörter, die in unserer Alltagssprache kaum mehr vorkommen. Auf der so genannten Roten Liste der Bedrohten Wörter ist es allerdings noch nicht zu sehen. Hier hätte es seinen Platz hinter trätschen und Treber und vor Trümmerfrau und Tschüssikowski.
Aber was genau bedeutet trefflich? Laut DUDEN:„Durch große innere Vorzüge, durch menschliche Qualität ausgezeichnet (und daher Anerkennung verdienend)“
Gut, es gibt also laut Aristoteles Menschen, die durch große innere Vorzüge und menschliche Qualität ausgezeichnet sind und somit (vor)treffliche FreundInnen sein können.
Entsprechend gibt es dann natürlich auch (vor)treffliche Bücher, sagen wir mal Romane. Was meinen Sie: welche „großen inneren Vorzüge“ und literarischen Qualitäten sollte ein solches Buch haben, damit es ihr Freund werden kann?
Der fiktive Herausgeber der Briefe in Goethes Werther könnte uns ganz sicher eine Antwort darauf geben, wenn er seinen Lesern das Buch als einen „Freund“ anempfiehlt.
Aber bevor ich jetzt in der Roten Liste nachsehe, ob das Wort ’anempfehlen’ ebenfalls bedroht ist, um dann herauszufinden, dass dies zwar für den Adenauerhut, die Affenschaukel, den Afterarzt und den Atombusen gilt, aber nicht für die Anempfehlung – bevor ich dies also nachsehe, ende ich lieber hier und jetzt und wünsche Ihnen freundliche Pfingsttage.
Denn, ja, auch Tage können zu Freunden werden.
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