09. Juni 2013

WASSER, ZITTERE FÜR MICH

Eine meiner Klient*innen arbeitet gerade an literarischen Miniaturen. In diesem Zusammenhang bin ich auf Peter Handkes so genanntes „Selbstporträt aus unwillkürlichem Selbstgesprächen“ aus dem Jahr 2006 gestoßen. Kleine Aphorismen, Einzelsätze, Ein-Satz-Miniaturen. Zusammen gelesen und gedacht ergeben sie eine Art Porträt des Denkers.

Heute sah ich eine junge barfüßige Nachbarin auf ihrer Terrasse. In ihrer rechten Hand hielt sie einen Gartenschlauch mit Sprühkopf und goss in aller Seelenruhe ihre vielen großen Kübelpflanzen, während sie in der linken Hand ein Buch hielt, in dem sie gleichzeitig las. Völlig entspannt bewegte sie den Schlauch hin und her und sanft und synchron dazu ihren gesamten Körper.

Ich beobachtete sie fasziniert und es kam mir so vor, als wäre sie das lebendig gewordene Porträt eines Menschen, von dem in den Handke-Aphorismen die Rede ist.

„Alles kann Tanz sein“, schreibt er. Und „Man muss woanders sein.“ und „Halte nur einmal inne, so wird deine Seele gesund.“, „Hier fließt das Wasser. Was soll ich woanders?“ und „Ich schaue zuwenig? Ich schaue zuwenig AUF.“ und „DU bist es!(Zum Buch)“ und „Heute nichts gelesen? Das ist kein Leben.“, „Lass werden.“, „Wasser, zittere für mich.“ und und und.

Magische Minuten.

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