09. Oktober 2011

WER REIEIEIEITET SO ASCHANELL… DURCH NACHT UND FIND?

Gut, der Erlkönig reitet immer noch: Am Donnerstag wurde der diesjährige Nobelpreisträger für Literatur bekannt gegeben. Es handelt sich um den schwedischen Lyriker Tomas Tranströmer, den die Akademie als einen der „größten Poeten unserer Zeit\“ ansieht und den sie unter anderem dafür ausgezeichnet, weil er „uns in komprimierten, erhellenden Bildern neue Wege zum Wirklichen weist.“

Ich finde es wunderbar, dass endlich einmal wieder ein Lyriker diesen wichtigen Preis bekommen hat, da die moderne Lyrik meiner Ansicht nach oftmals weniger wert geschätzt wird als die moderne Belletristik. Zumindest wird sie bei weitem nicht so stark beachtet. Oder wie Raoul Schrott sagt: Die Auszeichnung sei „ein Zeichen dafür, dass die Poesie als Gattung immer noch Zentrales zu sagen hat.“

Natürlich wurde auch Marcel Reich-Ranicki alias André Ehrl-König (siehe letzter blog-Eintrag) befragt, was er vom diesjährigen Preisträger halte. Er antwortete, dass er sich nicht erinnern könne, den Namen jemals gehört zu haben. „Ich habe keine Ahnung, wer der Lyriker ist“, war seine Reaktion. Dies ist ja weiter nicht schlimm, sondern erst einmal schlicht und ergreifend ehrlich. Schlimm finde ich allerdings, was Reich-Ranicki dann auf die Nachfrage antwortete, ob er Verständnis für diese Entscheidung habe: „Ich glaube nicht.“ Was nichts anderes bedeutet als: „Nein.“ In anderen Worten: Wenn ICH diesen Namen noch nie gehört habe, dann KANN dieser Lyriker gar kein angemessener Nobelpreisträger sein…

Und unter anderem genau aus diesem Grund ist es so gut und wichtig, dass nicht nur bekannte Namen diesen Preis erhalten, sondern auch Schriftsteller*innen, mit denen wir uns überhaupt erst auseinandersetzen, WEIL sie diesen Preis bekommen haben.

Am Tag der Preisverkündung erhalte ich folgende Mail: „Soeben habe ich Ihren BLOG über den Erlkönig gelesen. Bin 68 Jahre alt – und Fischer-Dieskau-Fan seit meiner Jugend. Der singt von F. Schubert den Erlkönig – und ich hab ihn (den Dieskau und den Schubert und den Erlkönig) seitdem ständig im Ohr, wenn ich nur den Namen ERLKÖNIG lese: wer reieieieitet so aschanell… durch Nacht und Find??? und dazu mit der linken Hand auf dem Klavier die Sechzehntel: dadadadadadadada…“

Sehen Sie den Erlkönig vor sich? Und hören Sie Fischer-Diskau? Dann ergänzen Sie beides doch mal testweise mit den letzten Versen aus Tranströmers Gedicht „Der Adlerfelsen“ von 2005:

„In der Tiefe des Bodens gleitet meine Seele

schweigend wie ein Komet“

Ist das nicht ein wunderbares Bild?

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